Erneuerbare-Energien-Verbände in Baden-Württemberg kritisieren Ideen als nicht ausgegoren und fordern sinnvolle Übergangsregeln
Von rund zehn Prozent auf nunmehr knapp 60 Prozent in 20 Jahren: Das Wachstum der erneuerbaren Energien in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Den Ausbau ermöglicht hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Diese Unterstützung ist jedoch nur bis Ende 2026 europarechtlich abgesichert. Welche Fördermöglichkeiten danach möglich wären, hat nun das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) in dem Papier „Strommarktdesign der Zukunft“ skizziert und erste Empfehlungen abgegeben. Eckpunkte will das Bundeskabinett im Oktober beschließen. Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW), das Solar Cluster Baden-Württemberg und der BWE-Landesverband Baden-Württemberg begrüßen die Reform prinzipiell, sehen jedoch mehrere Vorschläge als kritisch an. „Setzt die Bundesregierung ihre Vorschläge um, statt auf die Branche zu hören, könnte der weitere Erneuerbaren-Ausbau zum Erliegen kommen und Baden-Württemberg deutlich benachteiligt werden“, sagt Jürgen Scheurer, der Geschäftsführer der PEE BW.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Im ersten Halbjahr 2024 lag der Ökostromanteil bei 58 Prozent. Im Jahr 2004 betrug der Wert noch neun Prozent. Ohne die Absicherung durch das EEG hätte es den starken Ausbau und die sinkenden Kosten für neue Anlagen nicht gegeben. Das Kernprinzip des Gesetzes: Förderfähige Anlagen erhalten eine feste Vergütung für grundsätzlich jede in das Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde. Das ermöglicht Privathaushalten und Unternehmen Planungssicherheit bei ihren Investitionen etwa in Windenergie- und Photovoltaikanlagen.
Die Axt an das bisherige Fördersystem würde den Ausbau behindern
Damit könnte nun bald Schluss sein. In seinem Papier beschreibt das BMWK Änderungsbedarf in vier Handlungsfeldern. Insbesondere der favorisierte Vorschlag bei Handlungsfeld Nummer eins hat es in sich und legt die Axt an das bisherige Fördersystem. Künftig solle die finanzielle Unterstützung weitgehend auf eine Investitionskostenförderung umgestellt werden. Eigentümer und Betreiber neuer Anlagen würden dann lediglich einen Fixbetrag als Zuschuss erhalten. Den erzeugten Strom müssten sie dann selbst vermarkten, Teile der Erträge würden abgeschöpft werden.
„Dieser Systembruch könnte den dringend nötigen und schnellen Ausbau abwürgen“, kritisiert Andreas Schlumberger, Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg. „Anlageneigentümer sind in diesem Fördermodell komplett vom Börsenstrompreis abhängig. Sie wissen daher nicht, wie viel Geld sie pro Kilowattstunde erhalten werden. Zudem ist unklar, welche Strommenge insgesamt sie verkaufen können.“ Fachleute sprechen hier von Mengen- und Preisrisiken, die eine Investition in einen Wind- oder Solarpark weniger attraktiv macht, insbesondere für kleinere Projektierer am Markt. Auch Banken geben mit einem solchen Vergütungssystem zurückhaltender Kredite, was vor allem mittelständische Marktteilnehmer treffen dürfte. Problematisch ist auch: Da beim Abschöpfung von Erlösen Referenzwerte angenommen werden, die jedoch nicht die tatsächlichen Erlöse der individuellen EE-Anlage widerspiegeln, sind diese Erträge kaum kalkulierbar.
Nach Ansicht der Verbände sollte vielmehr die erste Option näher in Betracht gezogen werden, die das bisherige Fördersystem einerseits weiterentwickelt, andererseits in Einklang mit den EU-Vorgaben bringt. Konkret hieße dies, dass die aktuelle Förderung grundsätzlich weiter gelten würde, kombiniert mit Rückzahlungsinstrumenten für Übergewinne, also Einnahmen, die über den Förderbedarf hinausgehen. Das würde auch die Akteursvielfalt erhalten und mittelständische Projektierer und Bürgerenergieprojekte nicht gefährden.
Regionale Netzentgelte würden den Südwesten benachteiligen
Auch der Vorschlag für regional unterschiedliche Netzentgelte birgt Sprengkraft. Derzeit sind sie im Norden Deutschlands höher. Der Grund: Hier gibt es deutlich mehr Windparks. Um sie an das Stromnetz anzuschließen, mussten die Netze verstärkt werden, was die Kosten nach oben trieb. Die Idee ist nun: Die Bundesnetzagentur verteilt die Kosten gleichmäßiger auf die Bundesländer. Das würde in Baden-Württemberg zu steigenden Strompreisen führen. Dies wird insbesondere dann eintreten, wenn der Ausbau der Windenergie nicht schneller vorankommt. Die Verbände lehnen die geplante Neuregelung daher ab. Die Maßnahmen würden negative Auswirkungen auf die Wirtschaft des Bundeslandes und die Bevölkerung haben, zumal künftig teure Erdkabel verlegt würden, die auch in die Netzentgelte im Südwesten einfließen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Aussage des BMWK, dass die Förderung perspektivisch ganz entfällt, „sobald der Strommarkt ausreichend flexibel ist und genügend Speicher zur Verfügung stehen“. Diese vage Formulierung sei problematisch: „Das Ende der Förderung wird an die Wand gemalt, unklar ist aber, wann das konkret der Fall sein wird. Es braucht einen Zeitplan, mit dem die Unternehmen arbeiten können“, kritisiert Jürgen Scheurer von der PEE BW. Unternehmen und Privatpersonen erhielten mit solchen unbestimmten Aussagen keinerlei Planungssicherheit. Das würde zu einer Zurückhaltung bei Investitionen führen, auf die der Südwesten dringend angewiesen sei.
Die PEE BW, das Solar Cluster und der BWE-Landesverband mahnen daher zur Vorsicht. „In der aktuellen Situation gibt es für Maßnahmen nach dem Prinzip ‚Trial-and-Error‘ keine Spielräume, weder finanziell noch zeitlich“, so Andreas Schlumberger vom Solar Cluster. Die Verbände plädieren daher für einen flexiblen Übergang, der mögliche Risiken für das System berücksichtigt und weitgehend vermeidet. Davon hänge es maßgeblich ab, wie Deutschland seine ambitionierten Klimaziele erreichen und gleichzeitig eine sichere und bezahlbare Stromversorgung gewährleisten könne.
Flexibilität als Schlüssel
Positiv sehen die Verbände dagegen Vorschläge zu dynamischen Stromtarifen. Verbraucher sollen künftig stärker auf Preissignale reagieren und ihren Verbrauch an das schwankende Angebot anpassen. Die Nachfrage müsse künftig weitestgehend in Zeiten mit günstigen Preisen verschoben werden können, beispielsweise durch Digitalisierung und smarte Steuerungen. „Flexibilität ist in einem fluktuierend einspeisenden Strommarkt von entscheidender Bedeutung“, betont Jürgen Scheurer von der PEE BW. Dynamische Stromtarife und zeitlich flexible Netzentgelte könnten dabei helfen, das System zu stabilisieren und die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern.
Neben den dynamischen Strompreisen seinen außerdem auch Maßnahmen zum Ausbau von Stromspeichern und zur Sektorenkopplung wichtig. Vor allem große Wärmepumpen in Wärmenetzen mit Wärmespeichern könnten hier eine wichtige Rolle spielen. Wichtig seien für die Zukunft zudem Anreize zur Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Stromnetz und insbesondere die gemeinsame Nutzung von Netzverknüpfungspunkten durch Wind- und Solarparks sowie Biomassekraftwerke betonen die PEE BW, das Solar Cluster und der BWE-Landesverband in der gemeinsamen Stellungnahme.