ZSW und Unternehmen beginnen Forschungsprojekt
Die Mobilität und somit auch der Luftverkehr verursachen einen großen CO2-Fußabdruck. Um diesen zukünftig deutlich verkleinern zu können, werden leichte, sichere und kostengünstige Hochenergiebatterien benötigt. Und diese sollten möglichst nur ressourcenschonende und umweltverträgliche Materialen enthalten. Ein Forschungsprojekt des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) mit drei Industrieunternehmen setzt genau hier an. In dem Vorhaben werden neue Aktivmaterialien mit hoher spezifischer Energie und Sicherheit entwickelt sowie die Prozesse, um sie zu Batterieelektroden zu verarbeiten. Kritische und teure Materialien sollen substituiert werden. Sowohl Anode als auch Kathode werden statt mit dem schädlichen Lösungsmittel NMP wässrig prozessiert. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen für die industrietaugliche Herstellung von Rundzellen genutzt werden. Das Vorhaben ist Ende 2021 gestartet.
Neben dem ZSW sind der Materialhersteller Johnson Matthey Battery Materials GmbH, das Maschinenbauunternehmen Coperion GmbH und der Zellhersteller VARTA AG beteiligt. VARTA koordiniert das Vorhaben, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,6 Millionen Euro gefördert wird. Das Forschungsprojekt läuft drei Jahre bis 31. Oktober 2024.
Heute beinhalten kommerzielle Hochenergiezellen noch immer nennenswerte Anteile des teuren und krebserregenden Metalls Kobalt, das zudem auch teilweise unter prekären Bedingungen abgebaut wird. „Ein wichtiges Projektziel wird sein, kobaltfreie Kathodenmaterialien durch die Entwicklung geeigneter Prozessbedingungen in zukünftigen Batterien zum Einsatz zu bringen“, sagt Prof. Dr. Markus Hölzle, ZSW-Vorstandsmitglied und Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien in Ulm. „Auf der Anodenseite soll durch den Einsatz von Siliziumoxid der Energieinhalt deutlich erhöht werden. Neu ist auch, dass die Herstellung beider Elektroden wasserbasiert erfolgt, also ohne die Nutzung der heute üblichen, toxischen Lösungsmittel.“
Umweltschonende Materialien mit mehr spezifischer Energie
Das Konsortium will – verglichen mit einer bereits verfügbaren nachhaltigen Zellchemie – die spezifische Energie der Batteriezellen um bis zu 20 Prozent erhöhen. Das würde das Gewicht der Batterien bei gleichem Energieinhalt deutlich verringern. Dies soll durch vier Maßnahmen erreicht werden. Erstens: Die Verwendung des intrinsisch sicheren Lithiummanganeisenphosphats (LMFP) an Stelle des etablierten Lithiumeisenphosphats (LFP) als Kathodenmaterial. Beide Materialien sind frei von den kritischen Rohstoffen Nickel und Kobalt, jedoch enthält LMFP mehr Energie als LFP. Hieraus leitet sich die zweite Maßnahme ab: Die Partner wollen die Flächenkapazität um 40 Prozent gegenüber einer LFP-Kathode erhöhen.
Drittens soll auf der Anodenseite das stetig knapper und teurer werdende Graphit durch das reichlich verfügbare Siliziumoxid (SiOx) ersetzt werden. Weil der Energieinhalt von SiOx deutlich höher ist als der von Graphit, kann man hiermit Gewicht und Volumen der Batterien einsparen.
Als vierte Maßnahme wird das zur Beschichtung der Elektroden bisher fast ausschließlich verwendete, gefährliche Lösungsmittel NMP durch Wasser substituiert.
Günstige, industrietaugliche Zellherstellung entwickeln
Alle Verbesserungen sollen in industrietaugliche Prozesse umgesetzt werden, um im Pilotmaßstab leistungsfähige und sichere Batterien bauen zu können. Hierzu müssen die Prozessanforderungen für sehr hochkapazitive Elektroden – Anode und Kathode – beim Mischen, Beschichten, Trocknen und Kalandrieren untersucht und verstanden werden. Zu diesem Zweck erforschen die Wissenschaftler und Ingenieure unter anderem die Verfahrenstechnik der Extrusion als innovative, hocheffiziente Möglichkeit des kontinuierlichen Prozessierens. Auf Basis der Erkenntnisse sollen am Ende dicke Elektroden wasserbasiert in einem industrierelevanten Rolle-zu-Rolle-Prozess herstellbar und für die Verwendung in Rundzellen wickelbar sein.
Am ZSW in Ulm werden die Prozesse auf einer eigenen Pilotlinie erprobt und in kleinen Laborbatterien als Demonstrator validiert. Parallel führt VARTA die Ergebnisse des Projekts in die Produktion von gewickelten Knopfzellen und 21700-Rundzellen ein.
Die so entwickelten Batterien können in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz kommen. Eine wichtige Anwendung in der Mobilität ist die Luftfahrt. Batteriebetriebene Flugzeuge werden derzeit von verschiedenen Firmen entwickelt und ein hoher Energieinhalt bei höchster Sicherheit sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg der hierfür notwendigen Hochleistungsbatterien.