Daten gelten als der neue Rohstoff, „Big Data“ ist in aller Munde. Dass die Nutzung von umfassendem Datenmaterial auch bei der Entwicklung von Kunststoffbauteilen in hohem Maße sinnvoll ist, will das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF im kommenden Jahr in einem internen Forschungsvorhaben zeigen. Ziel ist, mit Hilfe einer umfangreichen Datenbasis Wirkzusammenhänge von Schwingfestigkeitseigenschaften bei Kunststoffen abzuleiten. Im Vorfeld haben die Wissenschaftler bereits sämtliche Schwingfestigkeitskennwerte aus Veröffentlichungen, öffentlich geförderten Projekten und Auftragsforschungen in einer Datenbank zusammengetragen. Sie enthält mittlerweile 7.500 geprüfte Proben. Sämtliche schwingfestigkeitsbeeinflussenden Kennwerte sind darin berücksichtigt, was eine detaillierte Auswertung ermöglicht.
Bei der Produktion von hochbelasteten Strukturbauteilen aus thermoplastischem Kunststoff drängt die verarbeitende Industrie auf immer kürzere Entwicklungszeiten. Voraussetzung, um den zuverlässigen Betrieb des Bauteils in einer frühen Phase der Entwicklung abschätzen zu können, ist die umfangreiche Kenntnis der Schwingfestigkeitseigenschaften unter verschiedenen Einflussfaktoren erforderlich. Jedoch fehlen den Entwicklern oft die dazu notwendigen Materialkennwerte, oder sie sind nicht öffentlich zugänglich. Mitunter ist auch die Überlagerung der äußeren Einflussfaktoren und der mechanischen Belastung sehr komplex, sodass auch hier keine Materialkennwerte verfügbar sind. »Werden Materialkennwerte zur betriebsfesten Auslegung eines Bauteils ohne Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten oder ohne statistische Bewertung abgeschätzt, so besteht die Gefahr, die Lebensdauer beim Übertrag auf das Bauteil zu überschätzen«, betont Dominik Spancken, der das Projekt im Fraunhofer LBF betreut.
Häufig fehlen nötige Materialkennwerte zur Ermittlung der Schwingfestigkeit
Besteht das Bauteil die geforderte Lebensdauer im Freigabeprozess nicht, muss der gesamte Produktentwicklungsprozess erneut durchlaufen werden. Dies erfordert einen enormen Aufwand bei Rohmaterialien, Energie und Zeit. Im Sinne einer ressourceneffizienten Bauteilauslegung von Strukturbauteilen ist der Einsatz numerischer Simulationsprozesse weit verbreitet, da auf diese Weise Prototypen oder Prozessoptimierungen virtuell entstehen. So wird iterativ die bestmögliche Form des Bauteils bestimmt. Um diesen numerischen Prozess so genau wie möglich abzubilden, sind exakte Kenntnisse über das zu verwendende Material Voraussetzung.
Wichtiger Beitrag zur Ressourceneffizienz
Besonders für die Lebensdauerabschätzung existieren nur vereinzelt wenige Datenpunkte für allgemeine Fälle. Eine Datenbank mit Schwingfestigkeitskennwerten von Kunststoffen liefert daher einen wichtigen Beitrag zur Ressourceneffizienz. Strukturbauteile aus thermoplastischen Kunststoffen lassen sich mit Hilfe der Erkenntnisse aus der Datenbank zuverlässiger und schneller auslegen, höhere Entwicklungsziele können in kürzerer Zeit erreicht werden. Auch Iterationsschritte zur Auswahl des Werkstoffes und zur Geometrie des Bauteils werden vermieden. Darüber hinaus ist es möglich, deren Leichtbaupotenzial deutlich besser auszunutzen, und Bauteile können deutlich leichter als bisher gestaltet werden. Das spart – bei geringerem Materialeinsatz – Rohstoffe und verringert bei Anwendungen in der Elektromobilität den Energieverbrauch und erhöht die Reichweite.
Das übergeordnete Ziel des Forschungsvorhabens ist es, bis Ende 2020 die Wirkzusammenhänge der lokalen Gegebenheiten der untersuchten Eigenschaften auf die Wöhlerlinien beschreibenden Parameter wie Neigung, Aufpunkt und Streumaß zu bestimmen und untereinander zu vergleichen. Mit Hilfe der zusammengetragenen Daten wollen die Wissenschaftler im Fraunhofer LBF Abminderungsfaktoren auf die Schwingfestigkeitseigenschaften von thermoplastischen Kunststoffen erarbeiten. Dazu planen sie, den Einfluss der Umgebung, des Materials, des Herstellverfahrens, der Geometrie und der Belastung zu berücksichtigen, wobei jeder schwingfestigkeitsbeeinflussenden Eigenschaft ein Abminderungsfaktor zugewiesen wird. Ebenfalls berücksichtigen wollen die Darmstädter Forscher mögliche Wechselwirkungen schwingfestigkeitsbeeinflussender Eigenschaften untereinander, die eine verbessernde oder stark verschlimmernde Wirkung besitzen.