ZSW-Pilotfertigung erweitert Kompetenz um neue Produktionstechnologie für großformatige Lithium-Ionen-Zellen
Prismatische Batteriezellen mit Flachwickeln haben sich in der Praxis gut bewährt und sind bei der deutschen Automobilindustrie weit verbreitet für den Einsatz in Elektroautos. Künftig sollen die Elektrodenbänder in der Zelle anstatt gewickelt auch gestapelt werden. Das spart Platz und hat einen homogeneren Zellaufbau zur Folge, der die Zelleigenschaften verbessert. Forschung und Industrie wollen diese erfolgversprechende Produktionstechnologie nun in Deutschland etablieren. Die Pilotfertigung für Lithium-Ionen-Zellen am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden Württemberg (ZSW) in Ulm ist für die vollautomatische Assemblierung von prismatischen Zellen mit gewickelten Elektroden (im PHEV-1-Format) ausgelegt. Ab Januar 2018 wird sie im Rahmen des neuen Projekts „STACK“ um die aussichtsreiche Stapeltechnik erweitert.
Die Entwicklung eines ultraschnellen Herstellprozesses soll durch den Einsatz einer neuen Produktionsanlage und neuer Materialien erfolgen. Die Wissenschaftler am ZSW wollen mit einem High-Tech-Stapler und einem neuartigen Separator Muster-Zellen im industriellen Maßstab herstellen und evaluieren. Im Fokus steht der Vergleich von Wickelzellen mit Stapelzellen im PHEV-1-Format. Industriepartner des Vorhabens sind die Firmen Manz und Freudenberg.
„Durch den Boom bei der Elektromobilität gibt es derzeit große Engpässe in den weltweiten Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen“, betont Prof. Dr. Werner Tillmetz, ZSW-Vorstand und Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien. „Unsere Pilotfertigung bietet der Industrie eine einmalige Forschungsplattform zur Entwicklung eigener Herstellprozesse. Das neue STACK-Projekt ermöglicht Unternehmen, künftig auch die Stapeltechnik in ihr Portfolio zu nehmen und damit einen weiteren Schritt in Richtung kostengünstige Massenfertigung großformatiger Li-Ionen-Zellen zu leisten.“
Stapeln anstatt Wickeln der Elektroden hat bei rechteckigen Zellformaten wie den PHEV-1 Zellen einige Vorteile. Es führt zu einem sehr homogenen Aufbau des Zellstapels und einer besseren Raumausnutzung des Gehäuses („Hardcase“). Damit verbessert sich die Zellkapazität, Langlebigkeit und Sicherheit gegenüber gewickelten Lithium-Ionen-Zellen. Ein Nachteil des Einzelblatt-Stapelverfahrens ist aber der geringere Durchsatz bei den derzeit verfügbaren Anlagen für die Massenfertigung. Er liegt um den Faktor zwei bis sechs niedriger als beim Wickeln. Zusätzlich ist bei großformatigen Zellen aufgrund der Biegeschlaffheit der Materialien die notwendige Präzision beim ultraschnellen und hochpräzisen Stapeln der einzelnen Elektroden-Blätter eine enorme Herausforderung.
Durchsatz bei der Produktion erhöhen
Ziel der Projektpartner ist es, diesen konkreten Nachteil nun zu kompensieren sowie verbesserte Zelleigenschaften gegenüber bisherigen Lithium-Ionen-Zellen nachzuweisen. Die ZSW-Wissenschaftler werden für die notwendige prozessbegleitende Analytik und Tests sowie für den vollautomatischen Zellenbau (Assemblierung) sorgen. Hier stehen eine verbesserte Durchsatzgeschwindigkeit und die Präzision im Fokus. Diese Faktoren entscheiden über Herstellkosten und Produktausbeute bei einer kommerziellen Batterieproduktion. Die Forscher beabsichtigen mit dem High-Tech-Stapler und einem neuen, optimierten Separator Musterzellen im industriellen Maßstab herzustellen und evaluieren. Im Fokus steht der Vergleich von Wickelzellen mit Stapelzellen im PHEV-1-Format. Dieses Zellformat beschreibt Zellen mit einem festen, quaderfömigen Aluminiumgehäuse, das viele Automobilfirmen bevorzugen. Eine Variante davon (PHEV 1) ist speziell für „Plug-in hybrid electric vehicles“ geeignet.
Jeder einzelne Prozessschritt der industriellen Produktion von Lithium-Ionen-Zellen hat Einfluss auf deren Leistungsfähigkeit, Qualität und Kosten. Um diese Zusammenhänge systematisch aufzuklären und für alle Akteure in Deutschland zugänglich zu machen, betreibt das ZSW seit 2014 eine weltweit einzigartige „Forschungsplattform für die industrielle Produktion von großen Lithium-Ionen-Zellen“ (kurz FPL; für weitere Informationen siehe Infokasten). Im Rahmen von Industrieaufträgen und Forschungsvorhaben bearbeiteten die Forscher seither viele produktionsnahe Fragestellungen, von der Anlagenentwicklung über die Verbesserung von Einzelschritten bis zu den Qualitätssiche-rungsverfahren. Anlagentechnisch ist dies bislang nur am ZSW gut abbildbar.
Im neuen STACK-Projekt nutzen die Beteiligten diese prozesssichere Testumgebung und das Know-how mit dem Anlagenbetrieb, um einen neuen Herstellprozess in die Assemblierung zu etablieren. Auf der Materialseite soll ein neuer Separator zum Einsatz kommen, der den hohen Anforderungen an Verarbeitungseigenschaften gerecht wird, die bei Hochgeschwindigkeitsprozessen gefordert sind. Für den elektro-chemischen Vergleich der Wickel- mit den Stapelzellen bringen die Wissenschaftler 30 Jahre Materialforschung sowie eine umfassende Analytik für Lithium-Ionen-Zellen mit. Ferner sollen in dem von der Industrie langjährig genutzten Batterietestzentrum die gestapelten Mus-terzellen mit sämtlichen elektrischen und mechanischen Tests evalu-iert werden. Zur Analyse sollen auch 3D-CT-Röntgenscans an den Zellen durchgeführt werden.
Industrie mit dabei
Zum Projektverbund gehören die Industriepartner Manz AG, ein Anla-genhersteller für die Produktion von Batterien auf Lithium-Ionen-Basis, und die Freudenberg Performance Materials SE & Co. KG, ein Materi-allieferant mit umfangreicher Erfahrung zu Separatoren. Das Forschungsprojekt „STACK“ hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird vom BMBF mit insgesamt 2,7 Millionen Euro gefördert. Es hat im Januar 2018 begonnen.
Für Elektroauto-Batteriezellen erwarten Experten eine extrem dynamische Marktentwicklung. Der weltweite Umsatz für Automobil-Zellen wird bis 2025 mehr als 50 Milliarden Euro betragen. Für solche Volumina sind weltweit enorme Investitionen in neue Produktionslinien nötig. Hochrechnungen gehen von einem Bedarf von mehr „10 Giga-Fabs“ oder rund 400 Gigawattstunden Zellkapazität aus. Dahinter steckt ein Investitionsbedarf von mehr als 50 Milliarden Euro.