ZSW und EKPO realisieren eine offene Entwicklungsplattform für die Industrie
Wissenschaft und Industrie treiben derzeit die industrielle Produktion von Brennstoffzellen für Fahrzeuge voran. Zu diesem Zweck entsteht am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm die Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen (HyFaB). In ihr entwickeln Fachleute die notwendigen Voraussetzungen und Prozesse für die Großserienproduktion. In Zusammenarbeit mit EKPO Fuel Cell Technologies (EKPO) realisiert das ZSW aktuell einen generischen Brennstoffzellenstack als vorwettbewerbliche und herstellerunabhängige Entwicklungsplattform. Größe, Design und Leistungsdichte werden den heute im Automobilbereich eingesetzten Brennstoffzellensystemen entsprechen. Seine Komponenten sollen ab Mitte 2022 für Forschungsprojekte und für Unternehmen verfügbar sein.
„Brennstoffzellen standen schon vor zwanzig Jahren kurz vor der Markteinführung. Sie sind damals jedoch primär an der Verfügbarkeit von Wasserstoff gescheitert. Das ändert sich jetzt mit dem European Green Deal und der Deutschen Wasserstoffstrategie grundlegend“, sagt Prof. Dr. Markus Hölzle, ZSW-Vorstand und Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien in Ulm. Nun muss auch die Brennstoffzelle schnell industrialisiert werden, damit sie in großen Stückzahlen bei geringen Kosten im Markt verfügbar wird. Das ist das Ziel des neuen ZSW-Projekts im Rahmen von HyFaB.
„Mit dem ‚generischen Brennstoffzellenstack‘ entsteht eine Art Universalwerkzeug für die technologische Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. Zusätzlich können wir mittelständischen Unternehmen dann auch Komponenten oder ganze Brennstoffzellen für ihre eigene Produktentwicklung in die Hand geben“, so Hölzle.
Vorwettbewerbliches Angebot an die Wirtschaft
Der Grund für das vorwettbewerbliche Angebot an die Industrie: Die Entwickler von kommerziellen Brennstoffzellensystemen legen ihre Betriebsdaten oder Materialzusammensetzungen in der Regel nicht offen und stellen auch keine Brennstoffzellenkomponenten zur Verfügung. Dies erschwert jedoch den Markteintritt für die meist mittelständischen Zulieferer. Mit dem generischen Brennstoffzellenstack wird dieser Engpass behoben, da Betriebsdaten und Komponenten für alle Interessenten verfügbar sein werden. Wie dieser für alle nutzbare Stack aussehen soll, hat das ZSW in einem Vorprojekt mit dem Forschungsverbund Verbrennungskraftmaschinen (FVV) in einem Arbeitskreis mit Fachleuten aus der Automobil- und Zulieferindustrie erarbeitet.
Von der Skizze zur Hardware
Das Stack-Konzept ist bis zu einer maximalen Leistung von 150 Kilowatt ausgelegt. Hierfür bedarf es 500 Einzelzellen mit jeweils zwei Bipolarplatten aus Metall, um diesen generischen Brennstoffzellenstack aufzubauen. Der Vorteil von metallischen Bipolarplatten liegt darin, dass sie mit umformenden Produktionsverfahren herstellbar sind und dadurch hohe Stückzahlen bei geringen Taktzeiten ermöglichen. Produktionstechnisch herausfordernd sind allerdings die dünnen Wandstärken von nur einem Zehntel Millimeter bei einer Länge von über 40 Zentimetern pro Platte.
Die Bipolarplatten sind entscheidende Bauteile einer Brennstoffzelle: Auf den beiden Außenseiten, der sog. Kathode und Anode, sorgen sie für die gleichmäßige Verteilung von Wasserstoff und Luftsauerstoff. Parallel wird über die Innenseite der Platten das Kühlwasser geleitet. Dies erfolgt über äußerst filigrane Kanal- und Steggeometrien sowie ein Verteiler- und Dichtungskonzept. Diese Strukturen werden mittels numerischer Strömungsmechanik (CFD) simuliert und optimiert.
„Die Teilnahme in diesem Leuchtturmprojekt, der enge Kontakt zu institutioneller Forschung mit dem ZSW und das damit gewonnene Wissen zu Serienproduktionsprozessen bietet einen echten Mehrwert für uns. Vor allem das hochinteressante Netzwerk von HyFaB zur Brennstoffzellenstackfertigung, beispielsweise mit dem ZSW oder eben auch mit dem Fraunhofer Institut ISE in Freiburg mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in der Brennstoffzellenforschung, ist enorm wichtig für die Automobil- und Industriestandorte Baden-Württemberg, Deutschland und Europa. Die enge Zusammenarbeit mit den an der HyFaB mitwirkenden Anlagenbauern eröffnet uns spannende neue Chancen“, so EKPO-CCO Julien Etienne.
Das Vorhaben wird aus Mitteln des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg über das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert.
Die HyFaB
Damit die Massenfertigung von Brennstoffzellen zügig vorangebracht wird, etabliert das ZSW mit der HyFaB am Standort Ulm eine offene Industrieplattform, um automatisierte Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren, Fabrikabnahmetests und Inbetriebnahmen von Brennstoffzellenstacks zu entwickeln. HyFaB ist offen für Partner aus der Automobil- und Brennstoffzellen-Zulieferindustrie sowie für den Maschinen- und Anlagenbau, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
HyFaB ist ein öffentlich gefördertes Projekt: Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg unterstützt mit 10,4 Millionen Euro einen Neubau mit 3.300 Quadratmetern am ZSW-Standort Ulm in der Lise-Meitner-Straße. Die Bauarbeiten haben am 9. Februar 2021 offiziell begonnen. Das Bundesverkehrsministerium hat weitere 30 Millionen Euro für Industrieprojekte zur Produktions- und Prozessforschung angekündigt. Außer dem ZSW sind noch das Fraunhofer ISE aus Freiburg und der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) am HyFaB-Projekt beteiligt.
Link zur Webcam der HyFaB-Baustelle (im Reiter Ulm mit eLaB ans Ende scrollen): https://www.zsw-bw.de/ueber-uns/standorte.html#c583
Klimaneutral mit Wasserstoff und Brennstoffzellen
Die Nachfrage nach Brennstoffzellen wird künftig kräftig steigen. Das liegt unter anderem an dem 2019 verabschiedeten Green Deal, mit dem die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden will. In Deutschland soll dieses Ziel schon bis 2045 erreicht werden. Grüner Wasserstoff ist hierfür ein Schlüsselelement.
Zur Umsetzung des europäischen Green Deal sind Investitionen von mindestens einer Billion Euro vorgesehen. Die beschlossene EU-Wasserstoffstrategie vom 8. Juli 2020 sieht zwei Phasen vor: Bis 2024 sollen mindestens sechs Gigawatt Elektrolysekapazität zur Wandlung von erneuerbarem Strom in grünen Wasserstoff aufgebaut und eine Million Tonnen des grünen Wasserstoffs produziert werden. Bis 2030 kommen nochmals 40 Gigawatt Erzeugungsanlagen hinzu, die Produktion soll auf ein Niveau von bis zu zehn Millionen Tonnen Wasserstoff steigen.
Bereits ab 2030 soll der erneuerbare Wasserstoff und seine synthetischen Folgeprodukte wie e-Kerosin in großem Maßstab in allen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie der Industrie und dem Flug-, Schwerlast- und Schiffsverkehr zum Einsatz kommen. Das wiederum wird den Bedarf nach Brennstoffzellen vor allem in den beiden letztgenannten Bereichen antreiben.