Neues Verfahren reduziert Lastspitzen in Stromverteilnetzen
Wärmepumpen stellen umweltfreundlich Heizwärme und Warmwasser bereit. Für einen klimaneutralen Gebäudebestand sind sie daher eine Schlüsseltechnologie. Eine steigende Anzahl dieser zukunftsfähigen Heizsysteme könnte jedoch die Stromverteilnetze über Gebühr belasten. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) hat nun Algorithmen entwickelt, die auftretende Lastspitzen reduzieren. Getestet haben die Forschenden das neue Verfahren in Schweden – hier sind Wärmepumpen bereits stark verbreitet und die Winter besonders kalt. Das Ergebnis: Die Algorithmen helfen, Wärmepumpen effizient und netzdienlich zu betreiben. Die Belastung der Transformatoren im Verteilnetz verringerte sich um zehn Prozent.
Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der Wärmepumpen im deutschen Heizungsmix in den nächsten Jahren stark steigen wird. Für die Niederspannungsverteilnetze in Wohngebieten könnte dies ohne Nachjustierung zu einer Belastung werden. Denn: Wird es draußen kalt, liefern alle Wärmepumpen gleichzeitig – vor allem morgens und nachts – eine hohe Heizleistung. Entsprechend stark steigt der Strombedarf im Verteilnetz. In den Netzen und an den Transformatoren, die die Spannung im vorgelagerten Mittelspannungsnetz auf die Spannung im Verteilnetz umwandeln, treten dann höhere Lastspitzen auf. Das könnte sie überlasten.
Das neue Verfahren ist eines von vielen, die das ZSW für Netzbetreiber, Hersteller und Anwender entwickelt hat. Ziel ist es, große Verbraucher wie Wärmepumpen und E-Ladesäulen auch in bestehenden Netzen durch intelligenten Betrieb möglichst ohne spürbare Einschränkung nutzen zu können.
Wärmepumpen müssen Verteilnetze nicht belasten
Die Forschenden haben daher Algorithmen entwickelt, um die Gleichzeitigkeit der Wärmepumpenlasten in einem Netzgebiet zu verringern. „Die Herausforderung ist, am frühen Morgen und am Abend für alle ein warmes Haus bereitzustellen, ohne dass alle Wärmepumpen gleichzeitig anspringen – und das auch an Tagen mit minus zehn Grad Celsius Außentemperatur“, erklärt Dr. Jann Binder vom ZSW. „Dafür haben wir einen vorausschauenden Betrieb der Wärmepumpe entwickelt, der eine Prognose des Wärmebedarfs nutzt.“
Bei einer absehbaren Netzbelastung schaltet sich die Wärmepumpe früher ein und läuft länger, dafür aber mit geringerer Leistung. Das Verfahren nutzt die Wärmekapazität des Hauses als Speichermedium und entlastet so das Netz. Die Forscherinnen und Forscher setzen dies wohldosiert ein, um den Wärmeverlust nicht wesentlich zu erhöhen und die entstehende Temperaturabweichung vom Sollwert in Grenzen zu halten.
Zur Auswahl standen zwei Ansätze: ein zentraler Ansatz, bei dem die Wärmepumpen der Haushalte von einer Zentrale über virtuelle Energiepreise einen Anreiz zu einem verteilten Betrieb erhalten, und ein dezentraler Ansatz, bei dem die Wärmepumpen lediglich auf die lokal erfassten Temperaturschwankungen und Verringerungen der Netzspannung reagieren, ohne Verbindung zu einer Zentrale. Der zentrale Ansatz erreicht die geforderte Netzentlastung von zehn Prozent mit drei Prozent weniger Mehraufwand an Heizenergie als der dezentrale Ansatz, da er den Bedarf zum „Vorheizen“ und die Gleichzeitigkeit des Wärmepumpenbetriebs passgenauer vermeiden kann. Er erfordert jedoch eine hohe Zahl von Berechnungen zur Festlegung der individuellen Fahrpläne und dadurch mehr Kommunikationsaufwand zwischen allen Wärmepumpen und der Zentrale.
Zehn Prozent weniger Lastspitzen an den Transformatoren
Das Ergebnis für den einfacheren dezentralen Ansatz: Bei der zehnprozentigen Reduktion der Trafolast zu Spitzenzeiten veränderte sich die Spreizung der Innentemperatur nur minimal; von 20 bis 22 Grad Celsius auf 19,2 bis 22,2 Grad. Nutzt man zusätzlich eine Prognose des Trends der Außentemperatur wird die niedrigste Temperatur sogar auf 19,4 Grad begrenzt. Würde man dieselbe Reduktion der Trafolast allein durch lineare Reduktion der Wärmepumpenleistung erreichen wollen, so würde die minimale Innentemperatur 17 Grad betragen, also drei Grad und nicht nur 0,6 Grad weniger.
Bei der Entwicklung des dezentralen Ansatzes achtete das ZSW auf eine einfache Ausgestaltung. „Der Algorithmus braucht keine externe Kommunikationsanbindung für die Fernsteuerung der Wärmepumpen“, sagt Binder. „Als Informationsquelle wird die lokal gemessene Netzspannung verwendet.“ Sinkt die Spannung unter einen Grenzwert, ist das ein Anzeichen für eine zu hohe Netzbelastung. In der Folge springt der Algorithmus an und moduliert die Wärmepumpenleistung. Gegenüber einer zentralen Steuerung von Wärmepumpen ohne aufwändige bidirektionale Kommunikation kann ein dezentraler Algorithmus die Fähigkeit des Hauses, Wärme zu speichern, individuell und wohl dosiert nutzen. Damit verringert sich die entstehende Temperaturabsenkung gegenüber derjenigen, die bei einer zentralen Abschaltung von Wärmepumpen bei Netzengpässen entstehen würde.
Test des Verfahrens in Schweden
In Schweden können der Einfluss von Wärmepumpen auf die Belastung des Stromnetzes und ihr netzdienlicher Betrieb bereits heute sehr gut untersucht werden. Das skandinavische Land verfügt über eine hohe Kohlendioxid-Steuer, der Einsatz von Wärmepumpen ist daher bereits weit verbreitet.
Die ZSW-Forschenden entschieden sich für das Testgebiet Ramsjö in der Nähe von Stockholm. Hier werden die Häuser vorwiegend mit Wärmepumpen geheizt. Ein ideales Testgebiet: Im Winter gab es bei besonders kalten Wetterlagen eine starke Belastung der Transformatoren.
Warum Wärmepumpen klimafreundlich sind
Wärmepumpen liegen im Trend. Rund 53 Prozent aller Neubauten wurden im vergangenen Jahr mit der Technologie ausgestattet. Beim Heizungstausch im Gebäudebestand ist der Anteil geringer. Doch auch in sanierten Wohnhäusern wird der Einsatz künftig stark zunehmen. Der Grund: Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss der Wärmesektor Abschied von Erdgas und Öl nehmen.
Bei dieser Umstellung helfen Wärmepumpen. Den größten Teil der Energie gewinnen die Geräte aus ihrer direkten Umwelt – der Luft oder dem Boden. Die Wärme aus der Umgebung ist erneuerbar und steht praktisch unbegrenzt zur Verfügung. Um die Temperatur auf das erforderliche Niveau anzuheben, benötigen Wärmepumpen Strom, der immer häufiger aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen stammt. Das macht die Technologie Jahr für Jahr klimafreundlicher. Aus einer Kilowattstunde Strom können im Jahresmittel drei bis fünf Kilowattstunden Wärme entstehen; je nach Betriebsbedingungen und genutzter Technologie der Wärmepumpen.
Das Forschungsvorhaben war Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Projektes NEMoGrid (Förderkennzeichen 0350016A). Die Laufzeit betrug gut drei Jahre und endete am 31. Dezember 2020.