Kurzinterview mit Peter Drausnigg, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Nauheim
Welche Strategie verfolgen Sie mit dem Projekt in Bad Nauheim Süd?
Hier möchte ich unterscheiden zwischen einer internen und einer externen Sichtweise. In Richtung Bürger und Kommune betrachtet, starten wir mit unserer Quartierslösung für Bad Nauheim Süd mit einem neuen Geschäftsfeld richtig durch. Wir betreiben bereits zwei klassische KWK-Wärmenetze in Bad Nauheim sowie einige Contracting-Anlagen. Auch das Breitbandnetz haben wir flächig in der Stadt ausgebaut und wir sind Telekommunikationsanbieter. Die Kombination der Geschäftsfelder, wie in Bad Nauheim Süd, bietet enormes Entwicklungspotenzial für uns als Stadtwerke. Wir heben dadurch die Wertschöpfung pro Kunde auf ein vollkommen neues Level. Auch die Wirtschaftlichkeit des Projekts lässt sich so erhöhen.
Intern betrachtet arbeiten wir in dem Projekt erstmals mit agilen Methoden – eine voll-kommen neue Arbeitsweise für unsere Mitarbeiter. Das verändert die Unternehmenskultur, macht uns flexibler, schlagkräftiger und schneller. Damit sind wir bestens gerüstet für die Zukunft und anderen ein paar Schritte voraus.
Was unterscheidet das Projekt in Bad Nauheim von anderen Projekten mit Kalter Nahwärme?
Wir schaffen hier ein einzigartiges Leuchtturmprojekt mit Kalter Nahwärme und smarten Services. Mit 400 Wohneinheiten ist es aktuell das größte seiner Art in Deutschland. Die Technik der Kalten Nahwärme ist ausgereift und gut skalierbar, viele Vorhaben in anderen Regionen sind an fehlender Kollektorfläche gescheitert. Wir haben sowohl die notwendigen Flächen als auch den Mut, hier etwas Großes zu schaffen.
Unser Quartierskonzept ist nachhaltig, digital und smart! Wir schaffen eine ökologische, innovative Wärmeversorgung mit Oberflächengeothermie und nutzen die Potenziale des Standorts optimal aus: Bewohner haben dort ultraschnelles Internet über unser Glasfasernetz – in den ersten Monaten übrigens kostenlos – und können ihr Haus mit modernster Smart-Home-Technik ausstatten. Gesteuert wird alles über unsere App, mit der auch die Beheizung, Lüftung oder die Speicher geregelt werden können. Jedes Gebäude wird so zum Musterbeispiel dafür, wie wir in Zukunft in Deutschland wohnen werden: klimaschonend, energieeffizient, digital vernetzt und mit höchstem Komfort. Denn die Stadtwerke sorgen auch für höchste Versorgungssicherheit: Die Anlage wird digital überwacht und gesteuert; sie ist an die Glasfaser angeschlossen. Die Stadtwerke erkennen so Störungen bereits, bevor sie Auswirkungen beim Kunden haben und sind in der Lage, diese so gut wie immer zu beheben, bevor der Kunde etwas davon bemerkt.
Wie sehen die weiteren Planungen in dem Geschäftsfeld aus?
Wir entwickeln uns zum übergreifenden Lösungsanbieter. Dazu gehört für mich neben der Energieversorgung und Smart-Home-Anwendungen auch, dass wir Mobilitätslösungen anbieten – sowohl als öffentliche Infrastruktur als auch für das Gewerbe und Privathaushalte. Wir erproben seit ein paar Wochen ein E-Carsharing in Bad Nauheim, das gut anläuft. Die Testphase geht noch bis Ende Februar, danach werden wir entscheiden, wie es weitergeht.
Daneben spielt Dezentralität der Energieversorgung eine zunehmende Rolle: Da ist es mit der PV-Anlage nicht getan. Die Menschen wollen einen verlässlichen und vertrauenswürdigen Partner an ihrer Seite, der vor Ort ist und sich schnell um alles kümmert, wenn mal etwas nicht funktioniert. Das ist ideales Terrain für uns als Stadtwerke.
Drittens kennen wir uns mit der Verwaltung von großen Datenmengen und mit Datensicherheit aus – denkt man nur an die hohen Anforderungen des ISMS. Auch diese Stärke wollen wir zunehmend ausspielen. Wir sprechen deshalb gerade mit Partnern zum Thema Datensicherheit und Datenverwaltung.
Steckbrief
Peter Drausnigg, 54, ist seit 1. Juli 2016 Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Nauheim GmbH. Mit rund 80 Mitarbeitern kümmert sich das Unternehmen um die Energie- und Trinkwasserversorgung sowie den öffentlichen Nahverkehr und Breitbandausbau sowie Telekommunikation in Bad Nauheim. Die Stadtwerke entwickeln aktiv die künftige Le-bensqualität und erhöhen die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Bad Nauheim.
Vor seinem Umzug nach Bad Nauheim war der Elektrotechnik-Ingenieur dreieinhalb Jahre alleiniger Geschäftsführer der Regionalwerke Würmtal in Gauting bei München. Von 2010 bis 2012 leitete er als kaufmännischer Geschäftsführer die Stadtwerke Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Davor war er in verschiedenen leitenden Positionen bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG tätig.