Plattform EE BW fordert weitere Änderungen und appelliert an Bundestagsabgeordnete aus dem Südwesten
Als bei weitem nicht ausreichend kritisiert die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW) die am 23. September 2020 vom Bundeskabinett beschlossene Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). „Mit den vorgesehenen Anpassungen lassen sich die Ziele auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene nicht erreichen. Es braucht mehr Mut, größere Schritte zu gehen, die für den Klimaschutz unerlässlich sind“, sagt Franz Pöter, Geschäftsführer des Dachverbands. „Mit der vorliegenden EEG-Novelle ist der Bundesregierung kein großer Wurf gelungen.“ Die Plattform setzt nun auf die Bundestagsabgeordneten aus dem Südwesten. Die Novelle soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Mit der EEG-Novelle soll ein verbindlicher Fahrplan für den Erneuerbaren-Ausbau bis 2030 festgelegt werden. Doch das nun auf den Weg gebrachte Vorhaben wird dem eigenen Ziel der Bundesregierung, im Jahr 2030 einen Anteil von mindestens 65 Prozent am Bruttostromverbrauch zu erzeugen, nicht gerecht. Auch das vorgeschlagene verschärfte EU-Ziel kann so nicht erreicht werden. Ein wichtiger Fehler: Die Bundesregierung geht von einem konstanten Stromverbrauch aus. „Der Vorschlag ignoriert die Elektrifizierung im Mobilitäts- und im Wärmesektor. Trotz Effizienzgewinnen wird es daher eine deutlich höhere Stromnachfrage geben. Das wird bislang nicht berücksichtigt“, sagt Pöter. Egal ob klimafreundliche E-Mobilität, Öko-Wärmepumpen oder grüner Wasserstoff – Ausgangspunkt ist immer der aus Erneuerbaren Energien gewonnene Strom. „Der Zubau von Windenergie- und Photovoltaikanlagen muss daher deutlich über das bislang vorgesehene Niveau und deutlich schneller erfolgen, zumal das deutsche 65-Prozent-Ziel nicht für das verschärfte Ziel auf EU-Ebene reichen wird“, so Pöter.

Bundesregierung agiert viel zu zaghaft, Ziele so nicht erreichbar
Mit den niedrigen Ausschreibungsmengen und Ausbaupfaden wird die Bundesregierung ihre eigenen Ziele nicht erreichen, kritisiert die Plattform EE BW. Nach Berechnungen des Verbands sollten die Zubaumengen bei Wind an Land auf 4,7 Gigawatt pro Jahr und bei Photovoltaik auf mindestens zehn Gigawatt pro Jahr erhöht werden. Im Bereich der Bioenergie plädiert der Dachverband für eine Art Stabilisierungspfad, nach dem die ausgeschriebenen Volumina bis 2030 auf 1.500 Megawatt pro Jahr steigen sollen. Der vorliegende EEG-Entwurf sieht vor allem bei der Photovoltaik weniger als die Hälfte des nötigen Zubaus vor. „Für eine erfolgreiche Energiewende auch in BW sind höhere Ausbaumengen entscheidend“, so Pöter.
Da die Novelle des EEG im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, plädiert Pöter an die Abgeordneten aus dem Ländle, sich für Verbesserungen einzusetzen. Pöter: „Der Ausbau der Erneuerbaren in Baden-Württemberg stärkt sowohl den Klimaschutz als auch die Versorgungssicherheit. Der Zubau und Erhalt der erneuerbaren Stromkapazitäten im Süden Deutschlands sollte oberste Priorität genießen. Mehr Windenergie- und Photovoltaikanlagen sind zudem ein zukunftsfähiges Investitionsprogramm gegen die Wirtschaftskrise, stellt die Basis für die Entwicklung einer Erneuerbaren-Industrie-Infrastruktur dar und schafft zukunftsfähige Arbeitsplätze. Sich für Verbesserungen einzusetzen, lohnt sich daher.“
Einspeisevergütung sinkt zu schnell
Besonders kritisch ist: Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Energiewende sind die kontinuierlich gesunkenen Stromerzeugungskosten, die mit der im EEG verankerten Degressionsregelung an die Anlageneigentümer weitergegeben wurden. „Wir erleben mit der aktuellen EEG-Novelle jedoch in einigen Segmenten, dass die Absenkung der EEG-Vergütung deutlich stärker ausfällt als die Kostensenkung. Zu berücksichtigen ist, dass die Anlagenkosten nur einen Bruchteil der Gesamtkosten darstellen. Viele Anlagen sind damit an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit“, so Pöter. Der Mechanismus der Degression sollte daher an Ausbaustufen gekoppelt werden, anstatt die Absenkung nur zeitlich zu definieren.
Die prozentuale Absenkung der Einspeisevergütung muss zudem deutlich abgeschwächt werden – das gilt für (kleine) Wasserkraftanlagen und Solarstromanlagen ebenso wie für die erst am Anfang stehende Tiefengeothermie. Wirtschaftlich kaum zu leisten ist auch die Neuerrichtung von Biogasanlagen. Für diese gelten in den Ausschreibungen auch im neuen EEG-Entwurf zu niedrige Gebotshöchstwerte.
Positiv sieht Pöter das neue Instrument der „Südquote“ bei der Windenergie. Nach der von Baden-Württemberg geforderten neuen Regelung werden im Rahmen des Zuschlagsverfahrens die ersten 15 Prozent und ab 2024 20 Prozent des Ausschreibungsvolumens an die günstigsten Gebote für Projekte in sog. „südlichen Landkreisen“ vergeben. „Das kann dem Windausbau im Südwesten helfen“, so Pöter.
Solardachpflicht im Südwesten wird mit der Novelle ad absurdum geführt
Der in der EEG-Novelle vorgesehene Systemwechsel hin zu einem Ausschreibungsmodell auch für größere Dachanlagen könnte zu einem Wirrwarr im Südwesten führen: Ausschreibungsmodelle bedeuten einen massiven Eingriff in diesem wichtigen Marktsegment und treffen Baden-Württemberg besonders. Denn die Landesregierung plant ab 2022 die Einführung einer Solardachpflicht auf neu errichteten Nichtwohngebäuden. Ein Ausschreibungsmodell passt dazu nicht: Die Novelle sieht eine Ausschreibungspflicht für Dachanlagen ab einer Größenordnung von 500 Kilowatt installierter Leistung (mit Absenkung der Grenze in den nächsten Jahren) vor; sie müssten sich die Vergütung im Wettbewerb also mit anderen Dachanlagen sichern. Nicht alle neu errichteten Nichtwohngebäude würden hier zum Zuge kommen. „Es ist völlig unklar, was passieren würde, wenn die Anlage keinen Zuschlag erhält“ so Pöter. „Ist die Solardachpflicht dann für sie erloschen?“ Er kritisiert zudem, dass mit dem Wechsel zur Ausschreibung auch die Eigenstromnutzung gestrichen werden soll, wodurch die PV-Anlagen für die Unternehmen weniger attraktiv werden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist: Ein Großteil der dezentralen erneuerbaren Energieerzeugung basiert auf Investitionen von Bürgerinnen und Bürgern. Deswegen ist es laut Plattform EE BW sehr wichtig, dass es Eigenverbrauchern weiterhin möglich ist, Strom aus der Anlage selbst zu nutzen und Überschüsse auf einfache Weise ins Netz einzuspeisen. Gerade für Klein- und Kleinstanlagen ab einem Kilowatt würde das jedoch massiv durch die im EEG-Entwurf vorgesehene Verpflichtung zu zusätzlicher teurer Technik (Smart Meter, Fernsteuerbarkeit) erschwert. Die Digitalisierung der Energiewende sei generell begrüßenswert, so Pöter, jedoch müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.