Mehr Engagement der Unternehmen notwendig
Bündnis für Wärmewende als Aufbruchssignal der Politik gefordert
„Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg verschläft die Wärmewende“, so der harte Vorwurf des Vorsitzenden der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW), Jörg Dürr-Pucher, anlässlich der am 5. Oktober beginnenden Woche der Wärme. „Insbesondere das Wirtschaftsministerium verkennt die ökonomischen Chancen, die im Aufbau von Wärmenetzen, Wärmespeichern, großen Solarthermieanlagen und Biomasse-Heizkraftwerken liegen. Wenn die Landesregierung die Wärmewende in der bisherigen Geschwindigkeit weiter betreibt, brauchen wir noch bis zum Jahr 2100, um die für den Klimaschutz notwendigen Ziele zu erreichen. Ministerpräsident Kretschmann und sein Vize Strobel könnten in den letzten drei Monaten vor Beginn des Wahlkampfes noch ein politisches Zeichen für die Wärmewende setzen, das Hoffnung für die nächste Legislaturperiode macht.“
Land, Kommunen, Kreise, Stadtwerke, Versorger und Wärmebranche sollen nach Ansicht der Plattform EE BW enger für die Wärmewende zusammenarbeiten. Akteure wie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der Verband für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW), der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund sollten in einem landesweiten Bündnis für die Wärmewende zukünftig gemeinsam mehr Akzente setzen und vor allem eine schnellere Umsetzung von Maßnahmen ermöglichen. Dazu muss die finanzielle Förderung regionaler Netzwerke für die Begleitung der kommunalen Planungen von Wärmenetzen fortgesetzt werden. Die Netzwerke haben bis vor einem Jahr die Wärmewende vorangetrieben. Mit dem Kompetenzzentrum für Wärme bei der Klimaschutz- und Energieagentur des Landes sind die Weichen gestellt. „Die fast schon verzweifelten Bemühungen des Landesumweltministeriums brauchen jetzt endlich Unterstützung aus der Fläche und aus dem Landtag, um in Baden-Württemberg nennenswert Öl- und Gasheizungen abschalten zu können“, so Dürr-Pucher.
Vier Forderungen stellt die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg in ihrem mehrseitigen Forderungskatalog: Die Wärmeversorgung soll in den Katalog der kommunalen Daseinsvorsorge aufgenommen werden, um Kommunen die nötigen Investitionen in Wärmenetze zu ermöglichen. Zweitens müssen Fernwärmeschienen ausgebaut werden, um ähnlich wie zwischen Heidelberg und Mannheim große Wärmemengen, zum Beispiel aus der Abwärme von Industriebetrieben oder aus der Tiefengeothermie, regional verteilen zu können. Drittens fordert die Plattform EE BW die massive Förderung großer Wärmepumpen zur Koppelung von Strom- und Wärmesektor, viertens die Privilegierung und Förderung von großen Solarthermieanlagen.
Auch die Wirtschaft verschläft die Wärmewende
Auch die Wirtschaft habe ihre Hausaufgaben im Wärmesektor nicht gemacht, so die Plattform EE BW: Während eine Solarstromanlage auf dem Unternehmensdach bei vielen Handwerkern, Unternehmern und Industriellen heute zum guten Ton gehört, verfügt kaum eine Firma in Baden-Württemberg über eine Heizung aus regenerativen Quellen. Obwohl mehr Energie für den Wärmebedarf als für den Strombedarf aufgewendet werden muss, spielt die Zukunft der Wärmeversorgung für Unternehmen und Politik fast keine Rolle.
„Dass die Landesregierung mit dem Klimaschutzgesetz mehr tun möchte als die meisten anderen Bundesländer, ist dabei kein echter Trost“, erklärt Franz Pöter, Geschäftsführer der Plattform. „Parallel zum langsam anlaufenden Planungs- und Entwicklungsprozess für neue Wärmenetze brauchen wir eine sofortige Investitionsoffensive zur Dekarbonisierung bestehender Fernwärmenetze, die zumeist mit Kohle oder klimaschädlichem Erdgas betrieben werden. Zudem sollte in den vorhandenen Nahwärmenetzen, bei denen die Anschlussquote häufig kaum die Hälfte der Wärmeabnahme in den Kommunen ausmacht, massiv ausgebaut werden. Auch ein politisches Umsteuern ist notwendig, weil die meisten Stadtwerke überwiegend in den Ausbau ihres Gasnetzes investieren und in Wärmenetzen eher eine unliebsame Konkurrenz erkennen.“
Auf Bundesebene ist eine massive Verbesserung der Förderprogramme für Wärmenetze geplant. Eine stärkere Konzentration auf Investitionen in den Wärmesektor könne daher auch dazu beitragen, verstärkt Gelder des Bundes für den Klimaschutz nach Baden-Württemberg zu lenken, so Franz Pöter. Dies sollte auch rein ökonomisch motivierte Politiker in den Koalitionsverhandlungen des nächsten Jahres zu einer radikalen Kehrtwende in der Wärmepolitik bewegen.