Stadtwerke Rastatt veranstalten drittes Forum mit nationalen Spezialisten – Übergabe einer deutschlandweiten Schadensliste ans Umweltbundesamt
RASTATT. Umweltschäden durch per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) haben Experten, Betroffene und auch Vertreter der Politik wieder in Rastatt zusammenkommen lassen: Am Mittwoch, 16. Oktober, veranstalteten die Stadtwerke Rastatt in der Badner Halle ihr bereits drittes PFC-Expertenforum. Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland haben sich dafür angemeldet. Neben dem Austausch von Wissen und Erfahrungen ging es ihnen um die Sanierung von PFC-Umweltschäden und deren Finanzierung, um Prävention und um die Erforschung von PFC auf den menschlichen Organismus. Zum Auftakt der Veranstaltung und nach der Begrüßung durch Landrat Toni Huber haben Stadtwerke Geschäftsführer Olaf Kaspryk und Umweltingenieurin Lorena Rodriguez einen Statusbericht über den PFC-Schaden in Mittelbaden und Rastatt gegeben. Danach referierte der Umweltrechtler Professor Dr. Wolfgang Köck von der Universität Leipzig über Handlungsmöglichkeiten der Wasserversorger im Hinblick auf die Wasserressourcenbewirtschaftung. Weitere Vorträge hielten Dr. Annegret Biegel-Engler vom Umweltbundesamt und Dr. Thomas Straßburger vom Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz; sie beleuchteten den Umgang mit den Herausforderungen der PFC-Belastungen. Umweltmediziner Dr. Jürgen Hölzer von der Universität Bochum hat über den aktuellen Stand der umweltmedizinischen Bewertung von PFC gesprochen. Martin Cornelsen von der Cornelsen Umwelttechnologie GmbH gab einen Überblick zu praxiserprobten Verfahrenstechnologien und Forschungsaktivitäten, um PFC-belastete Wässer und Böden zu behandeln.
Neben den Vorträgen der Experten war der Erfahrungsaustausch ein zentrales Element des Forums, an dem auch Torsten Höck, Geschäftsführer des Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg e. V. und Reiner Söhlmann vom Landratsamt in Rastatt teilnahmen. In den Gesprächsrunden lag den Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel daran, wie Transparenz, rechtliche Klarheit sowie die Minimierung künftiger Umweltschäden durch PFC erreicht werden können und welche gemeinsamen Handlungsempfehlungen daraus für Politik und Verwaltung resultieren.
Geld, Recht, Technik, Gesundheit und Politik
Nach Einschätzung von Annegret Biegel-Engler ist der Fall in Mittelbaden einzigartig, Diskutiert wurde unter anderem auch eine andere stoffrechtliche Einordnung der PFC, zum Beispiel in die Gruppe „besonders besorgniserregende Stoffe“. Das würde strengere Handlungsmechanismen eröffnen. Nach Professor Hölzer verdichten sich die Hinweise einer gesundheitlichen Problematik dieser Stoffgruppe, deren besonderer Nachteil ist, dass sich die Stoffe nicht abbauen.
Ein weiterer zentraler Punkt war die Finanzierung von Umweltschäden durch PFC: Hier wurde über eine Regelung ähnlich der Arzneimittelabgabe diskutiert. Das würde bedeuten, dass Hersteller von PFC-Grundprodukten von vornherein zu einer Abgabe an den Gesetzgeber verpflichtet werden für mögliche gesellschaftliche Folgekosten. Ein dritter wesentlicher Punkt war die Festlegung eines EU-weiten Grenzwertes für PFC und die Erarbeitung konkreter Leitlinien des Bundes für die Länder.
Annegret Biegel-Engler und Thomas Straßburger lobten das hartnäckige und ganzheitliche Engagement der Stadtwerke Rastatt. Diesem schloss sich auch Professor Köck an. Er sagte: „Es ist ungeheuer beeindruckend, dass die Stadtwerke über die eigene Betroffenheit hinaus ganzheitlich auf die Problematik blicken und über die eigenen Maßnahmen hinaus das Thema Sanierung und Prävention bis in die Bundespolitik hinauf angestoßen haben.“ Es brauche eine politische Strategie zum Umgang mit PFC.
Deutschlandweite Liste mit PFC-Schäden
Zum Abschluss des Symposiums übergab Stadtwerke-Geschäftsführer Olaf Kaspryk eine PFC-Schadensfallübersicht an Dr. Annegret Biegel-Engler vom Umweltbundesamt; die Dokumentation der bisher öffentlich bekannt gewordenen PFC-Schadensfälle hat das Steinbeis-Transferzentrum Mittelstand mit finanzieller Unterstützung der Branchenverbände VfEW und VKU erstellt und jetzt im Auftrag der Stadtwerke Rastatt aktualisiert; ab sofort ist die Übersicht auch online unter www.stadtwerke-rastatt.de/pfc-schadensfalluebersicht verfügbar. Für Olaf Kaspryk geht es darum, mehr Sensibilität und Aufmerksamkeit für solche Fälle und deren Prävention zu entwickeln. „PFC-Umweltschäden sind ein bundesweites Problem, deren Auswirkungen und Behebung noch nicht mal ansatzweise bekannt oder erforscht sind. Sind die Stoffe erst in den Boden oder ins Grundwasser gelangt, stellen sie eine Herausforderung für Generationen dar“, betont er. Zusätzlich soll die Schadensfallübersicht anderen Wasserversorgern helfen, kompetente Ansprechpartner und schnelle Schützenhilfe zu bekommen, falls sie ebenfalls mit PFC-Verunreinigungen konfrontiert werden.
Verantwortung für wichtigstes Lebensmittel
Für die Region Mittelbaden ist der PFC-Umweltskandal ein Einbruch an Lebensqualität in vielerlei Hinsicht: von der Landwirtschaft über die Stadtentwicklung bis zur Trinkwasserversorgung. „Letztere geht ins Eingemachte, denn hier geht es in der Daseinsvorsorge um das wichtigste Lebensmittel“, betont der Stadtwerke-Chef in seiner Funktion als Verantwortlicher für die Trinkwasserversorgung der Stadt. „Grundwasser ist mobil, es bleibt nicht an Ort und Stelle. Er hat die PFC-Belastung von Rastatts Grundwasser 2012 zufällig entdeckt bei der Analyse von Brunnenwasser, das bis dahin zur Trinkwasserversorgung herangezogen wurde. Seither kämpft er für eine nachhaltig sichere Trinkwasserversorgung, Gerechtigkeit und Unterstützung. Der kommunale Wasserversorger hat inzwischen einen ganzen Strauß an Maßnahmen umgesetzt, um die Rastatter Bürgerinnen und Bürger sicher mit genügend einwandfreiem Trinkwasser versorgen zu können. Zudem lässt er nichts unversucht, gemeinsam mit Wissenschaftlern und Experten in Dialog mit Vertretern der Landes- und Bundespolitik zu treten, um wirksame und tragbare Lösungen für die PFC-Problematik in Mittelbaden und anderen betroffenen Gebieten Deutschlands zu finden.